Die Prinzipien von Lean Development basieren auf den gleichen Grundsätzen wie die von Lean Manufacturing, welches erstmals in den 1950er Jahren von Toyota entwickelt wurde. Das Ziel besteht in der Vermeidung unnötiger Verschwendung sowie der Maximierung des Kundennutzens. Die Prinzipien des Lean Development lassen sich im Wesentlichen in sechs Kernpunkte gliedern:
‍1. Den Wert definieren
‍In einem ersten Schritt wird der Wert aus Kundensicht definiert. Es gilt, die aus Kundensicht relevanten Wertkriterien zu ermitteln und zu bestimmen, welche Funktionen oder Eigenschaften für das Endprodukt als unverzichtbar zu betrachten sind.
‍2. Den Wertstrom identifizieren
‍Im nächsten Schritt erfolgt eine Analyse des gesamten Entwicklungsprozesses, um alle Aktivitäten zu identifizieren, die zur Wertschöpfung beitragen. Das Ziel besteht in der Reduzierung oder Eliminierung von Prozesselementen ohne Wertschöpfung.
‍3. Fluss erzeugen
‍Ein durchgängiger Entwicklungsfluss stellt sicher, dass alle Phasen der Produktentwicklung nahtlos ineinander greifen. Es ist sicherzustellen, dass Engpässe und unnötige Wartezeiten vermieden werden.
‍4. Umsetzung des Pull-Prinzips
‍Das Pull-Prinzip besagt, dass nur das produziert oder entwickelt wird, was der Kunde tatsächlich benötigt. Dadurch wird eine Überproduktion vermieden und sichergestellt, dass nur das entwickelt wird, was auch tatsächlich nachgefragt wird.
‍5. Kontinuierliche Verbesserung (Kaizen)
‍Lean Development stellt keinen einmaligen, abgeschlossenen Prozess dar, sondern ist als kontinuierliche Maßnahme zu betrachten. Die Teams sollten sich regelmäßig selbst in Frage stellen und nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen, um effizienter und flexibler zu arbeiten.
‍6. Respekt vor den Mitarbeitern
‍Der Mensch spielt beim Lean Development eine zentrale Rolle. Es wird Wert darauf gelegt, das Know-how und die Kreativität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu nutzen, um innovative Lösungen zu entwickeln und Hindernisse zu überwinden.
‍
Die wesentlichen Vorteile von Lean Development liegen in der gesteigerten Flexibilität und Effizienz. Unternehmen können Produkte schneller auf den Markt bringen und gleichzeitig sicherstellen, dass sie den tatsächlichen Kundenbedürfnissen entsprechen. Des Weiteren führt die Vermeidung von Verschwendung nicht nur zu einer Reduzierung der Kosten, sondern auch zu einer Steigerung der Nachhaltigkeit, da weniger Ressourcen verbraucht werden.
Kostensenkung:
‍Lean Development ermöglicht Unternehmen eine Senkung ihrer Kosten durch die Vermeidung von Verschwendung. Unnötige Prozesse, überflüssige Funktionen oder überdimensionierte Ressourcen werden eliminiert. Anstelle umfangreicher und kostspieliger Planungen liegt der Fokus auf schlanken und effizienten Prozessen. Dies führt zu einer deutlichen Reduzierung der Produktions- und Entwicklungskosten, da keine Ressourcen für nicht wertschöpfende und unnötige Tätigkeiten verschwendet werden. Ein Start-up kann beispielsweise Kosten einsparen, indem es zunächst nur die wichtigsten Funktionen in einem Minimum Viable Product (MVP) entwickelt. Dadurch werden überflüssige Funktionen, die von den Kunden nicht gewünscht werden, von vornherein vermieden.
‍Zeitersparnis:
Der Fokus auf kontinuierliche Verbesserung und schnellere Feedbackschleifen führt zu einer Beschleunigung des Entwicklungsprozesses. Der iterative Ansatz ermöglicht es Teams, schneller auf Kundenanforderungen zu reagieren und Anpassungen effizient umzusetzen. Das Pull-Prinzip stellt sicher, dass nur dann entwickelt wird, wenn tatsächlich Bedarf besteht, wodurch Leerlaufzeiten reduziert werden. Anhand eines Beispiels soll die Vorgehensweise verdeutlicht werden: Netflix nutzt Lean-Prinzipien, um die Einführung neuer Funktionen zu beschleunigen. Anstatt umfangreiche Entwicklungszyklen zu durchlaufen, werden kleine Änderungen direkt mit den Nutzern getestet, sodass eine schnelle Reaktion gewährleistet ist.
‍Höhere Kundenzufriedenheit:
‍Die starke Kundenorientierung von Lean Development stellt sicher, dass Produkte und Dienstleistungen exakt auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind. Durch regelmäßiges Feedback und die Einbindung des Kunden in den Entwicklungsprozess wird sichergestellt, dass das Endprodukt den Anforderungen entspricht. Dies führt zu einer höheren Kundenzufriedenheit, da der Kunde genau das erhält, was er wirklich braucht. Der Online-Händler Zappos nutzt Kundenfeedback intensiv für kontinuierliche Verbesserungen, was maßgeblich zu seiner hohen Kundenzufriedenheit beiträgt.
Höhere Qualität:
‍Die kontinuierliche Überprüfung und Optimierung der Entwicklungsprozesse gewährleistet eine durchgehend hohe Qualität des Endprodukts. Durch die frühzeitige Erkennung und Behebung von Problemen und Fehlern wird eine hohe Qualität des Endprodukts sichergestellt. Lean Development etabliert regelmäßiges Testen und Verbessern als festen Bestandteil des Prozesses, um einen hohen Qualitätsstandard zu fördern. Der Automobilhersteller Toyota ist für seine hohen Qualitätsstandards bekannt. Kontinuierliche Verbesserung und der Fokus auf Fehlervermeidung haben Toyota zu einem der führenden Automobilhersteller in Bezug auf Zuverlässigkeit gemacht.
Ein weiteres anschauliches Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von Lean Development liefert der Elektronikhersteller Sony. Bei der Entwicklung eines neuen Produkts wurde auf kontinuierliche Verbesserung und enge Zusammenarbeit der Teams gesetzt. Anstatt von Anfang an ein komplettes Produkt zu entwickeln, wurde die Produktentwicklung in kleine, schnell umsetzbare Schritte unterteilt. Dadurch konnte regelmäßig und in kurzen Abständen Kundenfeedback eingeholt und das Produkt schrittweise verbessert werden. Dies verringerte das Risiko von Fehlentwicklungen und verkürzte die Entwicklungszeit erheblich.
Regelmäßiges Einholen von Kundenfeedback:
‍Eine zentrale Best Practice im Lean Development ist der kontinuierliche Austausch mit dem Kunden. Anstatt am Ende des Entwicklungszyklus ein fertiges Produkt zu präsentieren, sollten Unternehmen regelmäßig Prototypen oder Minimum Viable Products (MVPs) an den Kunden übergeben. Dadurch können Kunden schnell Feedback geben und Verbesserungsvorschläge direkt in die Entwicklung einfließen lassen. Der Vorteil liegt darin, dass Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und korrigiert werden können, bevor sie zu größeren Problemen führen. Ein Praxisbeispiel ist Dropbox, das als einfaches MVP startete und lediglich die Kernfunktion – das Teilen von Dateien – anbot. Aufgrund des kontinuierlichen Kundenfeedbacks konnten später weitere Funktionen wie der automatische Dateisynchronisationsdienst integriert werden.
‍Funktionsübergreifende Teams bilden:
Ein weiterer Erfolgsfaktor von Lean Development ist die Zusammenarbeit in cross-funktionalen Teams. Die Teams setzen sich aus Experten verschiedener Disziplinen zusammen, beispielsweise aus den Bereichen Entwicklung, Marketing, Design und Qualitätssicherung. Sie arbeiten gemeinsam an einem Projekt. Dadurch werden Kommunikationsbarrieren reduziert und der Entwicklungsfluss verbessert, da potenzielle Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden können. Bei Spotify arbeiten beispielsweise cross-funktionale "Squads" zusammen, die eigenständig für bestimmte Produktbereiche verantwortlich sind. Diese Squads setzen sich aus Mitgliedern unterschiedlicher Disziplinen zusammen, was den Entwicklungsprozess schneller und effizienter macht.
Wissensaustausch und kontinuierliches Lernen fördern:
‍Ein Umfeld, in dem kontinuierliches Lernen und Wissenstransfer gefördert werden, ist eine wesentliche Voraussetzung für Lean Development. Eine regelmäßige Reflexion der Arbeitsweise ist unerlässlich, um potenzielle Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren. Von gleicher Bedeutung ist die Etablierung einer Kultur der offenen Kommunikation, in der Fehler als Lernchancen betrachtet werden. Das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung (Kaizen) sollte fest in der Unternehmenskultur verankert sein. Ein Praxisbeispiel ist Toyota, wo kontinuierliches Lernen und Problemlösungskompetenz einen hohen Stellenwert einnehmen. Jeder Mitarbeiter ist aufgefordert, Verbesserungsvorschläge einzubringen und an der Optimierung von Prozessen mitzuwirken. Dies hat Toyota über Jahrzehnte zu einem der effizientesten Unternehmen der Welt gemacht.
Â
Literaturhinweise:
Poppendieck, Mary & Poppendieck, Tom:Â Lean Software Development: An Agile Toolkit. Addison-Wesley Professional, 2003.
Womack, James P. & Jones, Daniel T.:Â Lean Thinking: Banish Waste and Create Wealth in Your Corporation. Free Press, 2003.
Ries, Eric:Â The Lean Startup: How Today's Entrepreneurs Use Continuous Innovation to Create Radically Successful Businesses. Crown Business, 2011.
‍